1 7   Deutsch-Sagar (Boberhöh) im 2. Weltkrieg
Home


Eichwalde


Fotos


Verschiedenes


Crossen/Oder


Amtsbezirk
Fritschendorf


mit den Dörfern
Boberhöh (Deutsch-Sagar)
Bobertal (Wendisch-Sagar)
Fritschendorf
Deichow, Neubrück
und Chrumow




Impressum

 

In dem von Deutschland begonnenen 2.Weltkrieg bahnte sich ab 1943 eine deutsche Niederlage an. DieSchlacht von Stalingrad markierte einen psychologischen Wendepunkt im Krieg. Ab diesem Zeitpunkt war der Glaube an den "Endsieg" in der deutschen Bevölkerung kaum noch vorhanden.
Die ersten Ausgebombten von Berlin wurden in den Dörfern untergebracht und der Wohnraum dazu beschlagnahmt. In Boberhöh war eine komplette Berliner Schulklasse mit 8-jährigen Schülern und Lehrer Klucke evakuiert.
Bei der deutschen Wehrmacht wurde der Treibstoff knapp. Auf dem Exerzierplatz (Richthofenweg) wurden deshalb die Fahrzeuge auf Holzgas umgestellt. Tausende von Fahrzeugen wurden dort mit einem Holzgaskocher versehen.

Am 16. Oktober 1944 betreten die russischen Truppen in Ostpreußen erstmalig deutschen Boden. Die Bevölkerung flieht nach dem Westen, und unsere Dörfer nehmen Flüchtlingstrecks aus Ostpreußen und dem Warthegau auf. Der Winter 1944/45 war sehr kalt, und die Front kam immer näher. Zunächst kamen die Trecks aus den Warthegaukreisen Schroda, Schrimm und Kosten. Später auch aus dem Ostzipfel unseres Kreises Crossen.
In der Nacht sah man den Feuerschein der brennenden Dörfer jenseits der Oder. Es war ein erschütterndes Bild. Die Flammen zeigten zuverlässig den Standort der Russen an. Wer die Gegend kannte, konnte auch die Namen der Orte dem Feuer zuordnen.
Seit Dezember 1944 war in Boberhöh kein Schulunterricht mehr. Die Flüchtlingstrecks wurden in die Schule einquartiert.

Am 25. Sept. 1944 wurde die Erfassung aller wehrfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren für den "Volkssturm" angeordnet. Der "Volkssturm", dessen Angehörige als äußeres Kennzeichen eine Armbinde mit der Aufschrift "Deutscher Volkssturm - Wehrmacht" trugen, war vor allem für Bau - und Schanzarbeiten, Sicherungsaufgaben sowie zur Verteidigung von Ortschaften - meist in unmittelbarer Heimatgegend - vorgesehen.
Dadurch kamen die älteren Jahrgänge für den Volkssturm zum Einsatz. Sie sollten Gefechtsstellungen bei Pommerzig und anderen Orten ausheben. Der militärische Wert der schlecht ausgerüsteten "Volkssturm"-Verbände war aber gering. Bei Feindberührung - weil nur notdürftig bewaffnet und schlecht ausgebildet - lösten sich diese Einheiten auf.

17 . 1     Das Schicksalsjahr 1945

Mit Neujahr 1945 wurden die letzten Tage in den Dörfern unserer Heimat eingeläutet. Die großen Flüchtlingstrecks ergossen sich nun über die Oderbrücke in Crossen auf der Reichsstr. 97 nach Guben. Hinzu kamen die Flüchtenden auf der Chaussee von Sommerfeld und reihten sich in den Flüchtlingsstrom der Reichsstr. 97 bei Benschbude ein. Auch unsere Landsleute in unseren Dörfern rüsteten schon zum Aufbruch. Unsere Kreisstadt Crossen richtete sich zur Verteidigung ein. Das letzte Aufgebot der Volkssturmmänner wird in Crossen zusammengezogen, viele gingen schon nicht mehr zum Einberufungsstandort, um bei der Familie zu bleiben
. Am 30. l. 1945 stellte das Postamt Crossen und das "Crossener Tageblatt" seinen Dienst ein. Der Nordkreis war bereits in russischer Hand.

  • Boberhöh bis zum 24. Juni 1945

Der Räumungsbefehl für Boberhöh wurde nur teilweise ausgeführt. Die Gutsbesitzerfamilie von Rheinbaben und die Familie vom Lehrer Otto Schulz begaben sich u.a. auf die Flucht. Der überwiegende Teil der Bewohner verblieb in ihren Häusern.
Am 15. Febr. 1945 um 6:00 Uhr wurde die Oderbrücke gesprengt. Der Leiter des Boberkraftwerkes, Herr Freitag, legte am 15.2.1945 das Boberkraftwerk still. Unsere Heimat wurde Kampfgebiet und mit dem Feuer schwerer Waffen eingedeckt, das betraf besonders Alt- Rehfeld.

Am 15. Februar 1945 nachmittags erfolgte der Einmarsch der Russen in Boberhöh. Die erste Nacht war schrecklich.Einige Bewohner (Kletzkes, Pflaums, Postschenks und Deinerts) ergriffen noch nachts oder am frühen Morgen des 16.Febr. 1945 die Flucht, um sich den weiteren Zugriffen der russischen Soldaten zu entziehen.

Die Front blieb dann bis zum 16. April 1945 (d.h. 8 Wochen lang) an der Oder-Neiße-Linie stehen. Während dieser Zeit wurden auf dem Hof der Bäckerei Steinicke von den Russen drei zusätzliche Backöfen gebaut und in Betrieb genommen. Schließlich mußten die russischen Truppen versorgt werden. Alles, was an Holz vorhanden war, wurde als Brennmaterial verwendet.
Als Ende April 1945 die ersten Flüchtlinge, welche von den Russen zurückgeschickt wurden, wieder in Fritschendorf, Boberhöh, Bobertal und Deichow eintrafen, war alles geplündert. Kein Holz, kein Vieh in den Ställen und nur noch wenige persönliche Sachen waren vorhanden.
Aber der schreckliche Krieg war zu Ende, und ein Neubeginn wurde versucht.

Pferde und Kühe zu besorgen   −   das war kein Problem. Ab Crossen (Bahnhof) fuhren bereits die ersten Züge in Richtung Polen. Die zurückkehrenden polnischen Zwangsarbeiter ließen die Pferde mit Wagen dort stehen und traten ihre weitere Heimreise mit der Eisenbahn an. Ein Pferd kostete deshalb nur ein Paket Tabak oder ähnliches. Nach Kriegsende wurden Tausende von Kühen nach Osten getrieben. So geschah es, daß einige Kühe aus den Herden (kostenlos) abgezweigt wurden und in den Boberhöher Viehställen landeten.
Das Leben normalisierte sich. Es war Frühjahr, und die Felder mußten bestellt werden. Da kam der Befehl von der russischen Besatzungsmacht, das Boberkraftwerk zu demontieren und nach Rußland an die Grenze Lettland-Estland zu bringen. Die männlichen Bewohner aus den Dörfern unseres Amtsbezirkes mußten die Frühjahrsarbeiten auf ihren Feldern unterbrechen und Demontagearbeiten durchführen.
Da der Lehrer Schulz noch nicht von seiner Flucht zurückgekehrt war, führte vorübergehend unser Pastor Koch den Schulunterricht durch. Wir lernten den kleinen Katechismus und fromme Lieder in seinem Unterricht.
Im Juni 1945 wurde in Boberhöh ein sogenannter "polnischer Bürgermeister" eingesetzt, weil die Siegermächte beschlossen hatten, daß unser Gebiet polnisch verwaltet werden soll.

  • Die Vertreibung der Bewohner von Boberhöh

Am Sonntag, den 24. Juni 1945 wurde das dörfliche Leben in Boberhöh abrupt beendet. Nachdem in der Nacht zuvor durch polnisches Militär bereits Pferde aus den Ställen gestohlen wurden, kam in der Mittagsstunde vollkommen überraschend der Räumungsbefehl in 2 Stunden für alle Dorfbewohner von Boberhöh :

Stellplatz : der Deckelborn
Stellzeit : 14:00 Uhr

Das war 4 Wochen vor Beginn der Potsdamer Konferenz. Es bestand in Abstimmung mit der polnischen und sowjetischen Regierung das Ziel, für die deutschen Ostgebiete bis zum Konferenzbeginn vollendete Tatsachen zu schaffen.
Man ließ den Boberhöhern somit zwei Stunden Zeit, eine Auswahl zu treffen, was an wichtiger Habe mitzunehmen ist.
Die bestellten Felder blieben zurück und das Vieh in den Ställen. Niemand weiß, was aus ihm geworden ist, denn das Dorf hatte danach keine Bewohner mehr. Unser Treck wurde unter polnischer Bewachung in Richtung Guben geführt. Nachdem wir in Heidekrug unter freiem Himmel genächtigt hatten, wurde an den Gubener Kasernen der Boberhöher Treck zum ersten Mal geplündert. Außerdem wurden uns dort die Pferde abgenommen. Danach hieß es, "schnell" die letzten uns noch verbliebenen Habseligkeiten auf den Wagen zu werfen. Der Ackerwagen wurde von nun an nur mit Muskelkraft weiter in Richtung Neiße gezogen.
Vor der Neißebrücke in Guben fand dann die zweite Plünderung durch die Polen statt. Wiederum mußte alles vom Wagen genommen werden. Die Polen sortierten dann für sie interessante Sachen heraus. Den verbliebenen Rest durften wir wieder aufladen, und nach Überquerung der Neiße waren wir vogelfrei und heimatlos. Im Chaos nach der Kapitulation gab es keinerlei Verwaltungsstellen, die bei der Suche nach Unterkunft uns behilflich waren.
Deshalb verstreute sich die Dorfgemeinschaft gleich hinter Guben, einige bezogen dort schon Quartier, andere zogen dann in Richtung Lübben, Nauen, Cottbus usw. Die Familien waren auseinander gerissen, und jeder versuchte auf seine Art, das Schicksal zu meistern , denn wichtig war nun das Überleben.

geändert 22.02.2009  
homeHome ZurückZurück